Schmelzende Spuren

Der Schneehase bevorzugt Lebensräume mit langen Wintern und kühlen Sommern. Deshalb macht ihm der Klimawandel zu schaffen.

An das Leben in den Bergen ist der Schneehase optimal angepasst: Im Winter schützen die feine Unterwolle und die hohlen, mit Luft gefüllten Grannenhaare optimal vor Kälte, und die grossen, stark behaarten Pfoten dienen als «Schneeschuhe». Zudem ist er ein Meister der Tarnung: Im Herbst färbt sich sein Fell weiss, im Frühling wieder braun – gesteuert durch den Wechsel des Tageslichts.

Doch durch den Klimawandel fällt der Schnee oft zu spät oder schmilzt zu früh. Der Schneehase ist schlechter getarnt und wird zur leichten Beute für Adler, Uhu, Fuchs, Luchs oder Wolf. Zudem hat er die Hitze nicht gern.

Diese Wildtierart hat unser Interesse geweckt. Wir haben bereits 2014 begonnen, ihre Lebensweise, ihr Wanderverhalten und ihre Populationsdynamik zu untersuchen.

Entdecke im Animationsvideo überraschende Einblicke in diese Forschung.

Von der Talsohle bis zum Gipfel

Seit 2014 untersuchen wir im Schweizerischen Nationalpark die Schneehasenpopulation am Munt la Schera.

Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich über knapp 1000 Höhenmeter, vom Flusstal bis zum Gipfelplateau.

Es besteht aus einer Vielzahl von Lebensraumtypen wie reich strukturierte Nadelwälder, Legföhren-Bestände, alpine Rasen, Weiden und Zwergsträucher sowie Geröll- und Felshalden.

Jeden Winter besuchen wir das 3,5 km²grosse Untersuchungsgebiet am Munt la Schera. Wir sammeln Kotproben an fixen Suchpunkten entlang eines regelmässigen Rasternetzes sowie entlang von frischen Hasenspuren, die dieses Rasternetz kreuzen.

Dank des genetischen Fingerabdrucks konnten wir die räumlich-zeitliche Verteilung der Individuen, die Bestandsveränderungen und die Geschlechterzusammensetzung der Population über die Jahre beschreiben. 

Versteckt und trotzdem erforschbar

Um den scheuen, dämmerungs- und nachtaktiven Schneehasen zu erforschen, haben wir über viereinhalb Jahre hinweg Kotproben am Munt la Schera gesammelt. Dank der darin enthaltenen DNA konnten wir einzelne Tiere anhand ihres genetischen Fingerabdrucks eindeutig voneinander unterscheiden.

Insgesamt haben wir Weibchen häufiger mehrfach nachgewiesen als Männchen – erkennbar auf der Grafik an längeren Linien und mehr Punkten pro Individuum.

Die kürzeren Linien bei den Männchen haben zwei Gründe: Einerseits legen sie auf der Suche nach Paarungspartnerinnen deutlich grössere Strecken zurück, wodurch wir ihre Losung seltener mehrfach fanden. Gleichzeitig sind sie stärker der Gefahr durch Fressfeinde ausgesetzt. Weibchen bleiben hingegen meist in einem kleineren Gebiet und sind einfacher wiederzufinden.

Wo Schneehasen sich gute Nacht sagen

Unsere bisherigen Ergebnisse zeigen:

  • Schneehasen kommen vor allem an der oberen Waldgrenze und in den Legföhren-Beständen vor.
  • Die Grösse ihrer Population schwankt um 10 bis 50 Prozent zwischen den Jahren.
  • Eine räumlich erweiterte Untersuchung, die neben dem Untersuchungsgebiet im Nationalpark (orange Fläche auf der Karte) auch Lebensräume in der Umgebung einschliesst, hat belegt, dass einzelne Tiere zwischen den Tälern hin- und herwandern und dabei erstaunlich grosse Streifgebiete nutzen.