Die Königin der Alpen

Die Arve kommt vorwiegend im obersten Bereich des Waldgürtels der Alpen und der Karpaten vor. Ein unüber­hörbares Merkmal dieser Arvenwälder: das Krächzen des Tannenhähers. Dieser Vogel sammelt Arvenzapfen und versteckt Zehn­tausende Samen in kleinen Portionen als Vorrat im Boden. 

Solche Verstecke befinden sich bevorzugt an Stellen, wo es für den Baum ungünstig ist zum Keimen – so bleiben die Samen als Nahrungsreserve erhalten. Aber nicht alle Samen werden gefressen, so dass gelegentlich junge Arven aufkommen können.

Für die Verjüngung benötigt die Arve aber gut entwickelten Boden. Dieser fehlt oberhalb der Waldgrenze vielerorts, weshalb die Ausbreitung in höhere Lagen nur langsam abläuft. 

Dadurch kommt die Arve zunehmend in Bedrängnis durch konkurrierende Baumarten, die von unten her nach oben drängen. 

Langfristig braucht es deshalb waldbauliche Massnahmen, damit lokale Arvenbestände nicht aussterben, vor allem am unteren Ende und am Rand des Verbreitungsgebiets.

Wie die Arve auf Umweltveränderungen reagiert

Dank physiologischen Änderungen (phänotypische Plastizität) können Arven kurzfristig auf Umweltveränderungen reagieren; diese Eigenschaften werden jedoch nicht vererbt. Lang­fristige, vererbbare Anpassung basiert auf drei Prozessen:

  • Mutationen erzeugen zufällig neue Genvarianten, meist ohne Vorteil – selten setzt sich eine vorteilhafte Variante durch.
  • Natürliche Selektion begünstigt Genvarianten von Individuen mit höherem Fortpflanzungserfolg.
  • Genfluss durch Ausbreitung von Samen und Pollen bringt Gen­varianten in neue Lebensräume. 
    Dies kann vorteilhaft sein, wenn diese Varianten lokal angepasst sind.

Was uns die DNA über die Vergangenheit verrät

Die Arve musste ihr Areal klimabedingt immer wieder verschieben. Während der letzten Eiszeit vor rund 18 000 Jahren konnte sie nur in wenigen Rückzugsgebieten überleben. Diese Wanderungen haben Spuren im Erbgut hinterlassen: Unsere Untersuchungen anhand von genetischen Fingerabdrücken (Mikrosatelliten) zeigen fünf Verwandtschaftsgruppen der Arve im Alpenraum und in den Karpaten. 

Zusammen mit Funden von Pollen und Pflanzenresten konnten wir die Aus- und Rückwanderungsgeschichte der Arve rekonstruieren. Dank des genetischen Musters können wir auch bestimmen, woher gepflanzte Bäume stammen.

Woher kommt zum Beispiel das Saatgut, das im Kanton Freiburg für grossflächige Aufforstungen verwendet wurde? Die Antwort liegt in der Ausstellung in der Schublade! 

Sind Arven bereit für den Klimawandel?

Wir wollten wissen, ob es die heute vorhandene genetische Vielfalt der Arve ermöglicht, sich an ein wärmeres und trockeneres Klima anzupassen. Dafür haben wir bei über 400 alten und jungen Arven die DNA-Sequenz von mehreren tausend Genen bestimmt.

Wir haben die genetischen Unter­schiede in Bezug zu den Klimabedingungen gesetzt, unter denen sich die alten Bäume vor rund 160 Jahren und die jungen Arven heute gegen ihre Konkurrenten erfolgreich behauptet haben. Dabei zeigte sich: Junge Bäume nahe der Waldgrenze tragen bereits Genvarianten, die an ein warm-trockenes Klima angepasst erscheinen.

Solche vorteilhaften Genvarianten können sich durch Samen und Pollen ausbreiten. Doch weil die Arve lange braucht, um sich fortzupflanzen, setzen sich genetische Veränderungen nur sehr langsam durch. 

Vereinzelte Arvenbestände, vor allem am Rand des Areals, werden also langfristig wohl nicht mit dem Klimawandel mithalten können.

Woher kommen angepflanzte Arven?

Das Ergebnis ist deutlich: Die gepflanzten und natürlichen Bestände unterscheiden sich genetisch klar voneinander. Die angepflanzten Arven stammten somit nicht aus der Region. Dank der Kenntnis über die genetische Struktur dieser Art in den Alpen konnten wir sogar die beiden ursprünglichen Herkünfte der Bäume identifizieren.